Das Deutschlandticket, wirklich ein Ticket für die Menschen?

Das Deutschlandticket, oder im Sprachgebrauch 49 € Ticket, wird nun endlich nach langem Hin und Her zum 01.05.2023 eingeführt. Wir erinnern uns. Nach dem Erfolg des 9 € Tickets im letzten Jahr, gab es in der Berliner Politik ganz schnell die Idee, ein Nachfolgeprodukt auf den Markt zu werfen. Das wurde mit viel Getöse, noch mehr Versprechungen und ganz viel positiven Élan in die Bevölkerung kommuniziert. Ziel war es, dass der Tarifdschungel der Deutschen Bahn und der Verkehrsverbünde ausgemistet wird und dass es ein Angebot gibt, mit dem am Ende jeder preisgünstig durchs Land fahren kann. Als Einführungstermine wurden zuerst der 01.01.2023, dann der 01.04.2023 genannt. Geworden ist es am Ende der 01.05.2023. Das sagt schon vieles.

Das Deutschlandticket ist ein Abo Ticket, das heißt, wer einmal einen Vertrag abschließt, erhält jeden Monat eine Verlängerung seines Tickets, da der Zahlungsverkehr bargeldlos durch Abbuchung erfolgt. Erst nach expliziter Kündigung kann der Vertrag wieder beendet werden. Da die Bundesregierung in ihrem Gesetz festgelegt hat, dass es das Deutschlandticket nur in elektronischer Form gibt, werden ganze Personengruppen ausgegrenzt. Elektronische Form heißt, entweder per APP auf dem Smartphone oder eine Chipkarte vom Verkehrsverbund. Da der für uns zuständige ZVMS kein Chipkartensystem betreibt und die Einführung eines solchen bis zum 01.05.2023 weder zeitlich noch finanziell durchführbar ist, fällt das System Chipkarte im Erzgebirge schon einmal aus. Beim System APP auf dem Smartphone bleiben ganz viele ältere Bürgerinnen und Bürger auf der Strecke, weil sie gar kein Smartphone besitzen. Für mich ein typischer Fall von Altersdiskriminierung per Gesetz. Es gibt aber noch eine zweite Gruppe Menschen, die ausgegrenzt werden und das sind Menschen mit negativen Schufa Einträgen. Grund ist, dass bei Antragstellung für diesen Abo Vertrag automatisch eine Schufa Anfrage erfolgt. Fällt diese negativ aus, wird kein Ticket ausgestellt. Diese Anfrage wird übrigens bei allen anderen Abo Verträgen auch durchgeführt. Alles in allem werden Teile der Gesellschaft vom Gesetzgeber einfach per Gesetz schon ausgeschlossen. Da reden wir noch nicht einmal über das gesamte Themenfeld Bustaktung oder neue Buslinien im Erzgebirge.

Interessant ist auch die Verrechnung der Umsätze für das Deutschlandticket. Im Jahr 2023 bekommt das Verkehrsunternehmen die Umsätze gutgeschrieben, bei dem das Ticket gekauft wird. Das sind traditionell die Deutsche Bahn und die Verkehrsgesellschaften der Großstädte. Diese bieten auch die entsprechenden online Portale an. Viele Erzgebirger werden ihr Ticket online buchen. Der VMS hat dazu auch ein entsprechendes Portal geschaltet. Es wird durch diese Art der Verrechnung dazu kommen, dass einige Verkehrsunternehmen hohe Einnahmen generieren, andere dafür weniger, aber die Kosten für die Beförderung verbleiben weiterhin in den Regionen. Das Gesetz schreibt übrigens ab 2024 eine Verrechnung auf das Verkehrsunternehmen vor, wo der jeweilige Nutzer wohnt. Die Daten sind auf Grund des Abo Vertrages bekannt. Die Preisfrage ist, warum es für 2023 anders geregelt wurde als für die Folgejahre.

Zum Thema Ausmisten des Tarifdschungels ist nicht viel zu sagen. Das Ausmisten findet nicht statt, da das Ticket nur für den Regionalverkehr und eben nicht auch für ICE etc. Gültigkeit hat. Zusätzlich haben schon verschiedene Bundesländer erweiterte Regelungen getroffen zum Thema Mitnahme zusätzlicher Personen, Tiere, Fahrräder usw.. Spannend wird es wohl werden, wenn man mit einem Regionalzug von einem Bundesland mit Fahrradmitnahmeerlaubnis in ein Bundesland ohne Fahrradmitnahmeerlaubnis fährt. Wahrscheinlich muss dann das Fahrrad an der Landesgrenze ausgeladen werden. Der Tarifdschungel wird nicht kleiner, im Gegenteil er wird noch viel größer werden.

Zu einem neuen Ticket in elektronischer Form oder Chipkarte, gehört natürlich auch ein ordentliches Kontrollsystem. Dazu werden z.B. in allen Bussen der RVE zusätzliche Lesegeräte installiert, damit die  APP Daten oder die Chipkarte (die es bei uns gar nicht gibt) eingelesen werden können. Diese zusätzlichen Ausgaben werden zwar durch den Bund entsprechend ausgeglichen, nur wird eben nicht daran gedacht, dass der Markt sowohl bei Chipkarten, als auch bei den Lesegeräten leergefegt ist. Klingt irgendwie logisch, wenn es alle machen müssen.

Alles in allem passt die Einführung des Deutschlandtickets voll in das Chaos dieser Bundesregierung. Es werden plakative Versprechungen gemacht, ohne zu sagen wie die Umsetzung und Finanzierung aussieht. Bis jetzt ist im Gesetz nur eine Finanzierung bis Ende 2025 geregelt. Wie es dann danach weiter geht, weiß niemand. Dumm nur, dass die nächste Bundestagswahl erst 2025 stattfindet, die Verkehrsunternehmen aber nicht so lange mit ihren Finanzplanungen warten können, bis dann vielleicht eine neue Bundesregierung wieder ganz neue noch viel tollere Ideen entwickelt, die dann ebenfalls wieder nicht ausgegoren sind. Die Einführung des Deutschlandtickets wird auch uns Kreisräte spätestens bei den Jahresabschlüssen der RVE wieder einholen. Zum Glück wurde schon eine gewisse Risikofürsorge betrieben. Ob diese ausreichend ist, müssen wir sehen.

In diesem Sinne, Deutschlandticket, gute Idee, schlecht gemacht und diskriminierend obendrein.

 

Holger Zimmer